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Interview mit Werner Mönius, EBR-Vorsitzender bei Siemens
Die offizielle Bezeichnung des Europäischen Betriebsrates lautet: Siemens Europe Committee (SEC)

FotoFotoFrage: War die Fusion der Siemens-Kommunikationssparte mit Nokia notwendig?

Mönius: Siemens hätte die gesamte COM-Sparte auch allein restrukturieren können. Wir stellen den grundsätzlichen Erfolg der Fusion damit jedoch nicht in Frage. Das Management hat in der Vergangenheit von den Mitarbeitern viele Zugeständnisse gefordert, selbst aber auch viele Fehler gemacht. Wir haben vor Jahren darauf hingewiesen, daß in wichtigen strategischen Feldern wie zum Beispiel in der Internet-Telefonie Innovationen verschlafen wurden.

Frage: Welche Länder sind von den momentanen Entwicklungen betroffen?

Mönius: Vor allem Deutschland mit 20.000 Mitarbeitern, aber auch Belgien, die Niederlande, Österreich, Griechenland, Italien, Großbritannien, Portugal, Spanien, die Schweiz und Polen sind betroffen - insgesamt 33.000 Siemens-Mitarbeiter in Europa.

Frage: Gibt es Strategien für Beschäftigung?

Mönius: In Deutschland ist über den Personalabbau bereits eine Vereinbarung getroffen worden. Über die Auflösung des Bereiches COM gibt es im Moment eine heftige Auseinandersetzung mit der Firmenleitung. Was die Bewältigung dieser Fragen betrifft, mache ich mir um Deutschland weniger Sorgen. Hier gibt es mit dem Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie der IG Metall handlungsfähige Organisationen. In den anderen europäischen Ländern sind die Verhältnisse sehr, sehr unterschiedlich.

Frage: Warum sind die anderen Länder Sorgenkinder für Sie?

Mönius: Standortsicherungen oder Beschäftigungssicherungen werden teilweise durch Gesetzgebung oder Tarifverträge geregelt. In manchen Ländern sind diese Instrumente sehr schwach. Das SEC muß hier mithelfen, daß wir in Europa zu einem einheitlichen Informations- und Beratungsstand kommen. Die Kolleginnen und Kollegen im europäischen Ausland haben erst vor wenigen Tagen die konkreten Verlagerungs- und Abbauzahlen auf den Tisch bekommen. Das ist in jeder Hinsicht zu spät.

Frage: Was heißt zu spät?

Mönius: Unser Anspruch ist zuerst einmal, Informationen zu erhalten. Das klappt in der letzten Zeit besser. Das SEC ist allerdings nicht in eine rechtzeitige Konsultation mit dem Management einbezogen. Hier liegt ein großes Problem. Eine Beratung zwischen dem Management und den Mitgliedern des SEC aller betroffenen Länder erfolgt zwar, aber erst nach den eigentlichen Entscheidungen. Dann bleiben uns nur noch kleine Möglichkeiten, Entscheidungen zu verändern oder zumindest deren Folgen mitzugestalten. Was wir brauchen ist eine frühestmögliche und echte Mitsprache.

Frage: Das SEC hat sich mit einem Brief an die Europäische Kommission gewandt. Was ist Ihr Anliegen?

Mönius: Das SEC fordert als Europäischer Betriebsrat die Verbesserung seiner Rechte. Wir brauchen die Verankerung eines echten Konsultationsrechts in der EBR-Richtlinie, d. h. eine Konsultation vor der Entscheidung des Managements. Außerdem ist eine zweite Sitzung des SEC im Jahr essentiell. Auf diese Forderung haben wir vom Management bisher nur Absagen erhalten. Der dritte Punkt sind europäische Regelungen, die die Kommunikation innerhalb der einzelnen Länder erleichtern, und zwar auf allen Ebenen.

Frage: Was heißt das konkret?

Mönius: Das Fehlen von Vorschriften zur systematischen Einbeziehung einzelner Standorte erschwert eine demokratisch legitimierte Interessenvertretung. Dies hat sich gerade in Ländern, in denen es keine zentralisierte Arbeitnehmervertretung auf nationaler Ebene gibt, als besonders problematisch erwiesen. Erforderlich ist dies auch für den Informationsfluß aus den Ländern in das SEC. Das SEC muß informiert sein, was vor Ort passiert und kann sich nicht ausschließlich auf die Informationen der Konzernleitung verlassen.

Frage: Was ist mit der Umkehr der Beweislast, die Sie außerdem fordern?

Mönius: Für einen EBR ist es in der Praxis sehr schwierig festzustellen, oder gar zu beweisen, daß eine Maßnahme länderübergreifende Auswirkungen hat. Um das Recht auf eine unverzügliche Unterrichtung und Anhörung hinsichtlich länderübergreifender Themen sicherzustellen, sollte die Konzernleitung nachweisen müssen, wenn es den EBR nicht betrifft.


Werner Mönius (52) ist gelernter Elektromeister und war für die weltweite Qualitätssicherung der Fertigung der Audiologischen Technik zuständig. Seit seiner Ausbildungszeit ist er als Gewerkschafter aktiv, zuerst als Jugendvertreter, dann als Betriebsrat. 1994 wurde er zum Vorsitzenden des Betriebsrats der Medizintechnik in Erlangen mit ca. 7.000 Beschäftigten gewählt und gehört seit 1998 der Geschäftsführung des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats von Siemens an. Seit 2001 hat er den Vorsitz im SEC inne.

Das Interview führte Kathleen Kollewe am 3. Juli 2006.


Weitere Informationen:

Bericht von der letzten SEC-Sitzung am 9. Mai 2006
Forderungen des SEC zur Revision der EBR-Richtlinie
Der Brief an die Europäische Kommission im Wortlaut



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