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Interview mit Simon Cox, EBR-Koordinator der EFFAT
EFFAT ist die Europäische Föderation der Gewerkschaften des Lebens-, Genußmittel-, Landwirtschafts- und
Tourismussektors und verwandter Branchen

FotoFotoFrage: Wie organisiert EFFAT die Koordinierung der Europäischen Betriebsräte?

Cox: Wir haben in unseren Sektoren derzeit 94 Europäische Betriebsräte in 210 multinationalen Unternehmen, die von der EBR-Richtlinie erfaßt werden. Meistens delegiert EFFAT die Koordinierungsrolle an einen Hauptamtlichen einer unserer Mitgliedsorganisationen, die im Unternehmen vertreten ist. Es ist wichtig, alle EFFAT zur Verfügung stehenden Ressourcen zu optimieren, und ich muß ein ungleichmäßiges Bild vermeiden, dort wo meine Arbeit den Gesamtüberblick erfordert. Wir brauchen ein gutes Verhältnis mit sämtlichen Koordinatoren und diese ein eindeutig definiertes Konzept ihrer Rolle. Die Vorstellung ist, daß meine Arbeit mehr auf die Unterstützung und Koordinierung der Koordinatoren gerichtet sein sollte.

Frage: Wie werden Sie das erreichen?

Cox: Manche Gremien machen eine gute Arbeit, andere haben Probleme. Ich muß diese erkennen und sie zu meinem Arbeitsschwerpunkt machen. Mit unseren Mitgliedsgewerkschaften in den wichtigsten Ländern führen wir Besprechungen durch, um zu sehen, wie wir sie besser in dieser Rolle unterstützen können. Ein großer Schritt für mich wird mein erstes Seminar für Koordinatoren sein, das im Oktober 2006 stattfinden wird. Wir werden uns unter anderem anschauen, wie die Koordinatoren ihre Arbeit machen und wie sich das in vorhandene Richtlinien und Verfahren von EFFAT einfügt.

Frage: Wie sieht es mit neuen EBR-Vereinbarungen aus?

Cox: Wir werden die Bildung neuer Betriebsräte fortsetzen, aber nur dort, wo unsere Mitgliedsgewerkschaften uns darum bitten. Ich zweifle daran, daß wir in jedem von der Richtlinie erfaßten Unternehmen die Bildung eines EBR anschieben müssen, nur um die Anzahl zu erhöhen. In einigen Fällen, z. B. wenn Gewerkschaften im Unternehmen nicht vertreten sind, würde es keinen Sinn machen, wenn wir unsere begrenzten Ressourcen verwenden, um EBRs zu gründen und zu koordinieren. Mir ist Qualität wichtiger als Quantität.

Frage: Was sind die aktuellsten Probleme, mit denen Sie sich befassen?

Cox: Im wesentlichen geht es um Restrukturierungen. Unilever ist ein wichtiges Thema mit dem angekündigten Verkauf der Tiefkühlsparte. Wir hatten auch Umstrukturierungen bei InBev und Coca Cola Enterprises. Jedenfalls haben wir in all diesen Fällen gemeinsame Aktionen entwickelt, internationale Solidarität gefördert und unseren Mitgliedsgewerkschaften Kraft gegeben. Im Fall InBev zum Beispiel bewies unser Europäischer Aktionstag unsere Mobilisierungsfähigkeit und zog ein hohes Maß an Medieninteresse auf sich. Gewerkschaftsreaktionen auf Restrukturierungen zu koordinieren ist eine große Herausforderung, aber wir können dabei schon von den Erfahrungen aus anderen Sektoren lernen.

Frage: Was meinen Sie damit?

Cox: Zum Beispiel haben wir viel aus dem Fall General Motors und der Strategie, die von den Beteiligten gewählt wurde, lernen können. Es ist insbesondere interessant zu sehen, wie sie mit zentralen Problemen umgegangen sind, z. B. wie man die Rollen von Gewerkschaften, Arbeitnehmervertretern und EBR-Mitgliedern in Übereinstimmung bringt. Man kann einige dieser Erfahrungen schon in der Restrukturierungspolitik von EFFAT wiederfinden.

Frage: Wie integrieren Sie EBR-Mitglieder aus neuen Mitgliedsstaaten?

Cox: Wo EFFAT-Gewerkschaften aus den neuen Mitgliedsstaaten im Unternehmen vertreten sind, haben wir viel getan, damit sie bei der Integration ihrer Delegierten in einen bestehenden EBR unterstützt wurden. Ohne Zweifel darf man den Ausschluß neuer Länder unter keinen Umständen tolerieren. Wir haben auch mit unseren Mitgliedsorganisationen in den Kandidatenländern versucht, deren Leute in die Europäischen Betriebsräte zu bekommen, und tatsächlich ist es einigen auch gelungen. Aber der Anteil von gewerkschaftsfreien Betrieben ist in einigen dieser Länder höher. Bei gewerkschaftlich organisierten EBR-Mitgliedern können in solchen Fällen Befürchtungen entstehen, "Handlanger des Managements" statt echter EBR-Mitglieder aufzunehmen. Diese Situationen können ziemlich problematisch sein. Unsere Priorität muß sein, starke, gut funktionierende Betriebsräte zu haben, deren Mitglieder auch Mitglieder von Gewerkschaften sind.

Simon Cox ist seit Februar 2006 für die Koordinierung der Europäischen Betriebsräte und der transnationalen Unternehmen bei EFFAT zuständig. Er arbeitete als Reprographie-/Photokopiergerätbediener, bevor er über den zweiten Bildungsweg ein Geschichtsstudium an der Londoner Universität absolvierte. Danach arbeitete der heute 35jährige im britischen Arbeitsministerium, später erwarb er einen Masterabschluß in Europäischen Arbeitsbeziehungen an der Universität Warwick. Seit 2001 ist er für das Europäische Gewerkschaftsinstitut und den Europäischen Gewerkschaftsbund in Brüssel tätig (im 'Infopoint' Projekt), zuletzt als Forschungsmanager der Agentur für soziale Entwicklung (SDA).

Das Interview führte Kathleen Kollewe am 4. Juli 2006 in Brüssel.




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